Wird die digitale Brieftasche von Twint im 2017 den Schweizer Markt erobern?

Wird die digitale Brieftasche von Twint im 2017 den Schweizer Markt erobern?

December 12, 2016

Im Mai dieses Jahres haben Paymit, das elektronische Portemonnaie der Schweizer Banken und Twint das Konkurrenzprodukt der Post Finance den logischen, längst fälligen Schritt gewagt. Die Zahlungsverkehr-Schwergewichte bündeln ihre Kräfte und wollen ab April 2017 Apple Pay und Alipay, zumindest in der Schweiz zeigen, wo der Hammer hängt. Diesen Mittwoch hat der Twint CEO Thierry Kneissler im Rahmen eines Werkstattgespräches der Presse und auch einigen digital Payment Aficionados einen Blick unter die Twint Motorhaube gewährt. Marc Lussy war dabei und berichtet hier über die Ergebnisse.

Von Marc Lussy

Funktionalitäten

Frühestens ab April 2017 werden auf der gemeinsamen Software sämtlich Paymit und Twint Funktionalitäten kombiniert angeboten. Der Kunde kann direkt Geld auf seine Smartphone App raufladen. Bisher war dies nur bei der Postfinance-Lösung möglich. Leider können, bei den durch die Banken entwickelten Apps, Zahlungseingänge nicht direkt mit dem prepaid Betrag auf dem Smartphone verrechnet werden. Der App-User kann weiter sowohl seine Kreditkarte connecten, wie auch sein Konto anbinden, Letzteres jedoch nur wenn seine Bank bei Twint mitmacht.

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The good news, bei der Lancierung im April werden 30 Banken dabei sein. Auf eine Hinterlegung der Kreditkarte kann man deshalb also getrost verzichten. Auch die Überweisung von Smartphone zu Smartphone (Peer to Peer) wird für jeden Anwender zur Verfügung stehen. Viel verspricht sich Twint gemäss CEO Thierry Kneissler von der Möglichkeit, auf der App Kundenkarten zu hinterlegen, darüber Coupons anzubieten und Twint als digitale Stempelkarte zu nutzen.

Aus Sicht des Merchants ist dieser Nutzen klar ersichtlich. Um jedoch die bargeldbegeisterten Endkunden in Scharen dazu zubringen das digitale Portemonnaie zu nutzen, braucht es mehr. Äusserst spannend ist die Funktionalität der Rechnungsstellung via email oder via Briefpost und die Bezahlung der Rechnung mittels elektronischer Brieftasche. Leider wird diese Möglichkeit erst in der zweiten Jahreshälfte 2017 zur Verfügung stehen.

Software und Devices

Ein grösserer Teil der Banken wird eine individuelle App designen, welche identische Funktionalitäten anbietet, lediglich das Look-and-Feel ist unterschiedlich. Dieser Ansatz tut dem Twint Projekt nicht weh, es zeigt aber, dass die Banken zum Teil noch in der alten Welt leben. Sie versuchen sich so zu differenzieren und das gleiche Geschenk in unterschiedlichem Papier eingepackt, feil zu bieten. Man denkt immer noch in Ego-Systems statt in Eco-Systems.

Dieses Geld und der Aufwand dafür wäre besser in Funktionalitäten investiert worden, welche gegenüber dem Bargeld einen überzeugenden Mehrwert bieten. Die Geldhäuser hätten gut daran getan, konsequent die white labeling Lösung zu verwenden. Diese bietet Twint nämlich auch an. Bei den Payment-Terminals wird bei weiteren Merchants das bereits verwendete Gerät installiert, welches mit der Beacon Technologie und Bluetooth arbeitet.

Zusätzlich werden, die für Kartenzahlungen überall vorhandenen SIX Terminals softwaremässig aufgerüstet. Neu kann man hier mit Twint mittels QR Code bezahlen. Dies ist daher spannend, weil der Merchant so keine neue Hardware benötigt und keinen grossen Aufwand hat für die Installation.

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Chancen und Herausforderungen

Schade, dass der Start der fusionierten Lösung um drei Monate verschoben werden musste. Allerdings dürfte das Timing nicht der zentrale Erfolgsfaktor sein. Für Twint spricht, dass die Schweizer Lösung mit 30 Banken und bedeutenden Händlern mit geballter Power loslegen kann. Mit der Peer to Peer Zahlung bietet diese Mobility-Payment-Lösung eine Zahlungsmöglichkeit, welche es mit Kredit/Debit Karte nicht gibt. Mit der Kontoverknüpfungsmöglichkeit holt man jene Kunden ab, die auf Debit Karte setzen.

Auch das Raufladen von Cash aufs Smartphone ist gemäss Umfrage bei ca. 30% der Befragten ein Bedürfnis und könnte zusätzliche User begeistern. Hier hat die Schweizer E-Wallet einen Vorsprung vor Apple Pay und Alipay. Um die Massen zu gewinnen ist es schlussendlich jedoch zentral, dass im Vergleich zum Kartenzahlen und vor allem auch gegenüber dem Bargeld essentielle Vorteile geboten werden. Dies ist aktuell noch nicht der Fall. Die ganze Coupon-/Treuepunkt Thematik bietet aber Potenzial dazu.

Mit Geolocation zu arbeiten könnte eine solche Chance sein. Zusätzliche Innovationen sind jedoch gefragt. Twint ist gut beraten in Zukunft nach interessanten Fintech Startups Ausschau zu halten zwecks Zusammenarbeit. Die Herausforderung ist gross, die Opportunitäten sind da. Jetzt gilt es die Ärmel nach hinten zu krempeln, das Ego-System vollständig über Bord zu werfen und auf das Schweizer Eco-System zu setzen.

Dieser Artikel erschien zuerst in LinkedIn Pulse