Seit September 2016 arbeitet ein Schweizer Industriekonsortium unter der Führung der Hochschule Luzern an einer Blockchain-basierten Abwicklungsplattform für ausserbörslich gehandelte Aktien.
Dem Forschungsteam sind bereits technische Durchbrüche gelungen, damit sich die praktische Anwendung der Blockchain-Technologie im Finanzbereich durchsetzen kann. So wird unter anderem mit einem Verschlüsselungsmodul die Privatsphäre der Handelsteilnehmenden gewahrt.
Um den Einsatz von Blockchain-Technologie für den Finanzplatz Schweiz auszuloten, hat das Institut für Finanzdienstleistungen Zug IFZ der Hochschule Luzern (Fachhochschule der Zentralschweiz) zusammen mit den Schweizer Unternehmen InCore Bank, Inventx, SIX, Swisscom, ti&m und Zürcher Kantonalbank ein Konsortium formiert (siehe Medienmitteilung vom 8. September 2016).
Ziel des Konsortiums ist es, mit der Blockchain-Lösung die Abwicklung des ausserbörslichen Handelsgeschäfts von Schweizer Aktien (auch Over-the-Counter / OTC-Trading genannt) zu vereinfachen. Weiter soll die Lieferung und Zahlung des Wertpapiers unmittelbar erfolgen können.
Gleichzeitig hat das Trade-Reporting auch künftig den regulatorischen Anforderungen zu entsprechen.
Durch das von der Kommission für Technologie und Innovation (KTI) des Bundes geförderte Projekt wird ein offener System-Standard für den Finanzplatz Schweiz angestrebt, der allen interessierten Finanzinstitutionen zur Verfügung steht.
Bankkundengeheimnis wahren
Die Blockchain-Technologie (siehe Kasten) hat viele Vorteile: Daten werden sicher gespeichert, nachträgliche Manipulationen sind ausgeschlossen, und der Datenzugriff ist gesichert. Auch die Zusammenarbeit von Parteien, die einer Blockchain angeschlossen sind, kann via Smart Contracts – Computerprotokollen, die zum Beispiel Verträge abbilden oder überprüfen – effizient gestaltet werden.
Die Teilnehmenden können sich nicht einer falschen Identität bedienen, was das gegenseitige Vertrauen erhöht. Die eindeutige Identifikation der Teilnehmenden über sogenannte Crypto-Adressen stellt im Handelsgeschäft jedoch eine grosse Hürde dar: Keine Bank legt der Konkurrenz gerne offen, welche Transaktionen sie gerade abwickelt. Gleichzeitig muss bei Finanztransaktionen das Bankgeheimnis gewahrt werden.
Die Ethereum Blockchain, die das Konsortium als Basis gewählt hat, wurde daher um ein Verschlüsselungsmodul erweitert, das die Privatsphäre der Teilnehmenden schützt. Zudem kann den Aufsichtsbehörden bei begründetem Verdacht Zugriff auf getätigte Transaktionen erteilt werden.
Projektleiter Mathias Bucher von der Hochschule Luzern spricht von einem Durchbruch: «Unsere Lösung erfüllt wichtige Voraussetzungen, damit sich ein Blockchainbasiertes System am Markt durchsetzen kann.»Momentan ist der verfügbare Speicherplatz auf der Blockchain noch beschränkt. Um mehr Kapazität zu schaffen, hat das Entwicklerteam das Blockchain-Kernsystem mit einer verteilten und ebenfalls verschlüsselten Datenbank ergänzt. «Damit werden die Stärken der Blockchain gewahrt, das ganze System wird aber leistungsfähiger und flexibler», sagt Bucher.
Rechtliche und regulatorische Fragen klären
In einem nächsten Schritt will das Konsortium die Integration der Blockchain-Lösung in die bestehende Informatiklandschaft der angeschlossenen Banken in Angriff nehmen und mit SIX eine Lösung für die geldseitige Abwicklung erarbeiten.
«Ebenso wichtig ist der Austausch mit dem Gesetzgeber und der Aufsichtsbehörde mit dem Ziel, Akzeptanz für die dezentrale, Blockchainbasierte Abwicklungsplattform zu schaffen», sagt Bucher. Die Schweizerische Nationalbank verfolgt die Projektfortschritte bereits.
Zentral für den langfristigen Erfolg des Projekts ist schliesslich der Plattform-Betrieb in einer geeigneten Rechtsform. Technisch nutzt das Blockchain-System Smart Contracts als Leitplanken für die Interaktion und Koordination der Konsortium-Mitglieder und baut hierfür auf den Stärken der Blockchain auf. Die rechtliche Struktur wird in den kommenden Monaten erarbeitet.