Wieviel Disruption braucht/verträgt das Banking?

Wieviel Disruption braucht/verträgt das Banking?

by December 12, 2016

Einer weit verbreiteten Ansicht zufolge ist das Banking, wie viele andere Branchen auch oder zuvor, von Disruption bedroht. Die Verwendung des Begriffs Disruption im Zusammenhang mit Innovationen geht zurück auf Clayton Christensen und dessen Buch The Innovators Dilemma. Der Autor selber ist nicht immer glücklich darüber, dass zahlreiche Disruptoren sich auf seine Gedanken berufen; er fühle sich, wie er in einem aktuellen Interview sagt, häufig missverstanden.

Echte Innovationen seien in der Wirtschaft nach wie vor die Ausnahme. Nicht jedes revolutionäre Geschäftsmodell sei eine Disruption. Als Beispiel nennt Christensen in dem Interview Uber. Ubers Geschäftsmodell bestehe darin, bereits vorhandene Ressourcen anders zu nutzen. Echte Disruption sei dagegen ein Prozess, bei dem kleine Unternehmen mit wenig Ressourcen bestehende Geschäftsmodelle herausfordern.

Dabei kommt den Disruptoren der Umstand zugute, dass die etablierten Unternehmen an ihren bestehenden Geschäftsmodellen festhalten und versuchen, damit so lange wie möglich Gewinne zu erwirtschaften. Neue Geschäftsmodelle erfordern dagegen hohe Investitionen und Anlaufverluste. Hinzu kommt, dass der Erfolg ungewiss ist. Insofern ist es verständlich und auch keinesfalls nur Ausdruck von Kurzsichtigkeit, wenn Unternehmen an ihrem Kurs festhalten.

Christensen unterscheidet drei Arten von Innovationen: Die Effizienz-Innovation, bei der derselbe Output mit weniger Input erzielt wird, die erhaltende, inkrementelle Innovation, bei der ein bestehendes Produkt, ein Service verbessert wird und letztlich die disruptive Innovation, die ein bisher teures oder kompliziertes Produkt einfacher und billiger macht, so dass es für große Käuferschichten attraktiv wird.

Im Banking reklamieren vor allem Fintech-Startups für sich, disruptiv zu sein, wenngleich viele von ihnen von Konfrontation auf Kooperation umgestellt haben. Ähnlich wie Uber setzen viele Fintech-Startups auf die bestehenden Infrastrukturen/Ressourcen auf. Nicht wenige sorgen in bestimmten Schritten der Wertschöpfungskette für mehr Effizienz und Transparenz. Andere schaffen es, bestehende Produkte/Services durch eine zeitgemäße User Experience z.T. deutlich zu verbessern.

 

 

Disruptive Innovationen sind dagegen Mangelware. Am ehesten noch kann das Segment des Robo Advisory diesen Anspruch für sich erheben bzw. einlösen, ist es doch das Ziel, dem Normanleger Anlagestrategien zur Verfügung zu stellen, die bisher nur einem kleinen Kreis vermögender Kunden zugänglich waren.

 

Abzuwarten bleibt, ob PSD2 und neue Technologie, wie die Blockchain, für eine Disruption im Banking sorgen werden. Die Blockchain-Technologie kann damit werben, neue Infrastrukturen zu schaffen und zu verwenden, die – im Idealfall – unabhängig von dem bestehenden Bankensystem existieren können. PSD2 setzt dagegen auf bestehende Infrastrukturen auf, was nicht zwangsläufig bedeuten muss, dass sich daraus keine echte Disruption ableiten ließe – zumindest dann nicht, wenn daraus neue Kombinationen entstehen und damit das gelingt, was Schumpeter die Durchsetzung neuer Kombinationen von Produktionsfaktoren und “schöpferische bzw. kreative Zerstörung” nennt.

In dem erwähnten Interview verdeutlicht Christensen den Unterschied zwischen disruptiver und inkrementeller Innovation, indem er Uber mit Apple vergleicht. Während Uber die Digitalisierung dazu nutze, Fahrer und Fahrgäste direkt zu verbinden, habe Apple durch den Aufbau seines Ökosystems um das iPhone und iOS herum eine neue Nutzenkategorie geschaffen.

Im Banking reagiert man auf Apple und die anderen Digitalen Ökosysteme mit dem Konzept der Bank als Plattform. Beispielhaft dafür ist George von Die Erste in Österreich. Andere sprechen von einem Fintech-Supermarkt. Verfügen die Banken und Fintech-Startups über die nötige digitale Souveränität, um Apple und Co. Paroli bieten zu können? Können Banken und Fintech-Startups andere Stärken und Ressourcen ins Spiel bringen, die einen Mangel an digitaler Souveränität wett machen?

Als weiterer Hemmschuh, der etablierte Unternehmen dazu veranlasst, am bestehenden und bewährten Geschäftsmodell festzuhalten, erweist sich laut Christensen die Schwierigkeit, zwei unterschiedliche Geschäftsmodelle gleichzeitig in einem Unternehmen zu managen. Inwieweit gilt diese Feststellung/Problematik für die diversen Innovations-Lab und andere Initiativen der Banken? Könnte das Ambidextrous Banking ein Weg sein?

Christensen sieht Geschäfts- und Entscheidungsmodelle, die überwiegend datengetrieben sind, kritisch. Daten erfassen immer nur einen Teil des Phänomens, aber nicht das Phänomen selbst.

Wieviel Disruption braucht, verträgt eine in ihrem Kern nach wie vor konservative Branche, wie das Banking überhaupt? Wo kann, darf beschleunigt werden, wo wäre vielleicht Entschleunigung die bessere Alternative? Wo können Sicherheitsverfahren gelockert und die Customer Experience gestärkt werden, wo sollte die Sicherheit den Vorzug bekommen?

Weitere Informationen:

Brauchen wir ein neues Verständnis von “Disruption” im Banking?

Mobey Day Toronto: The disruption paradox

Dieser Artikel erschien zuerst in hier