Sobald die Medien ein Thema für sich entdeckt haben, schnellt die Zahl der Beiträge, die sich mit diesem neuen Phänomen beschäftigen, in die Höhe. So auch bei Fintech. Insofern also nichts Neues. Problematisch wird das dann, wenn die Medien die nötige kritische Distanz vermissen lassen. In letzter Zeit haben sich die Fälle gehäuft, bei denen Unternehmen von zahlreichen Medien förmlich “hochgejazzt” wurden. Beispielhaft dafür sind LendingClub, The DAO und der Themenkomplex Blockchain.
Wie die Studie Wirtschaftsjournalismus in der Krise – zum massenmedialen Umgang mit Finanzmarktpolitik im Jahr 2010 feststellte, unterließen die Medien in ihrer Gesamtheit, die Entwicklung der Finanzindustrie in den Jahren vor Ausbruch der Krise kritisch zu begleiten bzw. zu hinterfragen. Die Autoren kamen zu dem Ergebnis:
Die kritische Darstellung der neuen Finanzbranche, ihr Wandel von einem Dienstleister zu einer Art Finanzindustrie, die Folgen daraus für das Gemeinwohl, also die Perspektiven von Volkswirtschaft und Gesellschaft waren dagegen kein Thema. Wenn berichtet wurde, dann über die neue Finanzindustrie als Zeichen von internationaler Wettbewerbsfähigkeit und als Quelle für Gewinne und Arbeitsplätze am Standort Deutschland. Hier handelt es sich um eine Perspektivenverengung mit enormen Wirklichkeitsverlusten, die als schwere journalistische Verfehlung einzustufen ist.
Caleb Pershan beleuchtet in The Troubled Tale Of Lending Club And The Problems Created By Glowing Tech Press die Wirkmechanismen des Tech-Reporting am Beispiel von LendingClub. Im Silicon Valley, wie überhaupt im Tech-Sektor, gehe es häufig nur noch um Erzählungen, Narrative. Ob und inwieweit diese mit der Realität im Einklang sind, ist eher nebensächlich; Hauptsache die Botschaft ist cool: Die Welt wird an der neuen Technologie genesen. Probleme, die uns heute noch unslösbar erscheinen, werden sich in nichts auflösen. Die Gesellschaft wird gerechter, die Menschen werden glücklicher: Alles wird gut.
Pershan erwähnt den Bericht Access, Accountability Reporting and Silicon Valley des renommierten Nieman Lab. Darin schildert Adrienne Lafrance an verschiedenen Beispielen die Veränderungen, die sich in den letzten Jahrzehnten im Tech-Reporting ereignet haben. In den 1980er Jahren, als Technologiekonzerne wie Apple noch Exoten waren, war der Zugang zu den Exponenten der Tech-Szene leicht und die Atmosphäre offen, wie bei den sog. Homebrew Meetings:
John Markoff, a long-time technology reporter for The New York Times, remembers the original culture of Silicon Valley as open and collaborative—even welcoming to journalists. In the early ‘80s, Markoff had access to the Homebrew Computer Club, a legendary hobbyist group whose members included the technologists who would go on to run Silicon Valley. Steve Wozniak, the co-founder of Apple, first shared his design for the Apple I computer at a Homebrew meeting in 1976.
Diese Kultur änderte sich in den nächsten Jahrzehnten drastisch:
Over the next few decades, the people running the tech sector went from occupying a niche cultural and economic space to being some of the most powerful business leaders on the planet. And the culture and influence of Silicon Valley changed dramatically. “Early on, Apple was fringe,” says Kevin Kelly, founding executive editor of Wired magazine. “It was nerdy-techy. The difference now is that these companies are the most profitable companies in the world. This is no longer the sideshow; this is the main show.”
Sobald man in die Sphäre der Technologiefirmen und Startup-Szene gelangt, treten manche Fragen fast schon automatisch in den Hintergrund. Es scheint so, als betrete man eine andere, heile Welt, wie David Streitfeld, Tech-Reporter bei der New York Times, berichtet:
“There’s a sense, in too much tech reporting, that when you cross the bridge into Silicon Valley, you’re in a world where the old rules of journalism don’t apply. One of the biggest clichés of Silicon Valley is when they say, ‘It’s not about the money. We just want to change the world.’ Sometimes that even may be true. But that’s a reason for better coverage, not weaker.”
Dass aufstrebende Fintech-Startups sich mit kritischen Fragen schwer tun, durfte das Handelsblatt bei Number26 vor einiger Zeit erfahren.
Um die Defizite im Tech-Reporting zu beheben, sei, so Pershan – wie sollte es auch anders sein – eine disruption nötig:
Possibly a good way to disrupt this system is to hire dedicated reporters with a narrow focus, such as on a single company, investigative journalists who can cultivate sources outside that company’s PR department and beyond the scope of its own self-serving narrative.
Weitere Informationen: New Banking und die Rolle der Medien
Dieser Artikel ist zuert auf dem Bankstil Blog erschienen.
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