Die Digitalisierung verändert auch das Vermögensverwaltungsgeschäft, dank modernen Technologien entstehen aktuell komplett neue Geschäftsmodelle.
Im Gegensatz zur internationalen Konkurrenz haben Schweizer Vermögensverwalter diese Entwicklung jedoch noch nicht erkannt und tun sich schwer mit dem Wandel: Jeder sechste Vermögensverwalter in der Schweiz (17 Prozent) hat bislang noch keine Schritte in Richtung IT-Strategie für die digitale Transformation unternommen.
Während rund 50 Prozent dabei sind, eine Strategie für den technologischen Wandel zu entwickeln, haben nur knapp ein Drittel der Vermögensverwalter eine Digitalstrategie bereits im Einsatz. Diese Ergebnisse einer Studie des Beratungsunternehmens EY sollten die betroffenen Firmen aufhorchen lassen.
Ähnliches zeigt sich bei der Anwendung von Robo-Advice in der Vermögensberatung. Gemäss der globalen EY Studie sind weltweit über 70 Prozent der sehr vermögenden Kunden (High Net Worth Clients) bereit, Robo-Advice für die Verwaltung ihrer Vermögen zu nutzen. Entsprechend drängen viele neue Robo-Advice-Anbieter auf den Markt und verdoppeln ihre verwalteten Vermögen alle paar Monate.
Konträr dazu steht die Entwicklung in der Schweiz: Bislang nutzen oder planen lediglich 17 Prozent der Schweizer Vermögensverwalter den Einsatz von Robotic Process Automation (RPA) und künstlicher Intelligenz zur Automatisierung ihrer Prozesse. Robert Rümmler, Spezialist für Vermögensverwaltungstechnologie bei EY in Zürich, sieht den Grund bei der Priorisierung:
«Schweizer Vermögensverwalter sind nach wie vor mit der Umsetzung von sich ändernden Regulierungsanforderungen beschäftigt und kümmern sich zu wenig um zukünftige digitale Geschäftsmodelle.»
Andere Zentren setzten stärker auf digitale Technologien
Die Schweiz galt in der Vergangenheit unbestritten als eines der führenden Vermögensverwaltungszentren. Mittlerweile haben ihr jedoch andere Zentren den Rang abgelaufen, weil sie ihre Dienstleistungsmodelle digitalisieren und eine höhere Innovationskraft an den Tag legen. Das ist schade, denn der Wandel wird vom Markt international erwartet.
Der Grossteil der weltweit – von APAC (Asien-Pazifik) über EMEA (Europa, Mittlerer Osten, und Afrika) bis Nord- und Lateinamerika – befragten Vermögensverwalter (63 Prozent) erwartet von IT-Innovationen im Zuge des angestrebten Ertragswachstums eine transformative Wirkung auf die Geschäftsstrategien. In der Schweiz haben die Vermögensverwalter diesen Trend jedoch noch nicht erkannt; nur 33 Prozent der Befragten teilen die Prognose.
«Die Schweizer Akteure riskieren, bei der Innovation und Digitalkompetenz ins Hintertreffen zu geraten, während aufstrebende Märkte wie Asien-Pazifik Innovationen und Digitaltechnik mit Hochdruck vorantreiben»,
sagt Bruno Patusi, Managing Partner im Bereich Wealth and Asset Management bei EY Schweiz.
«Schweizer Vermögensverwalter zögern nach wie vor, in die Integration von externen Applikationen und anderen technologischen Möglichkeiten zu investieren. Stattdessen beschränken sie sich nur auf die nötigsten Ausgaben im IT-Bereich. Dies steht im scharfen Gegensatz zu den aggressiven Investitionsstrategien, die wir anderswo sehen.»
Fehlende Wertschätzung von IT-Mitarbeitern
Die meisten Branchen sehen IT und Technologie zunehmend als zentrale Bausteine der Unternehmensstrategie. In krassem Gegensatz dazu nehmen die Schweizer Vermögensverwalter, die IT jedoch nicht als wesentlichen Bestandteil ihres Kerngeschäfts wahr, sondern weiterhin als blosse Unterstützungsfunktion.
Diese Haltung spiegelt sich auch in der mangelnden finanziellen Wertschätzung von IT-Mitarbeitenden wider: Während die Zahl der IT-Fachkräfte im Verhältnis zum Gesamtpersonalbestand in Unternehmen seit 2013 um nahezu 7 Prozent zugenommen hat, sind ihre Gehälter etwa im selben Mass gesunken. Da zugleich die Gehälter anderer Mitarbeitenden in der Vermögensverwaltung stabil geblieben sind, hat sich die Schere zwischen der Vergütung von IT- und Nicht-IT-Mitarbeitenden weiter geöffnet (von 56 Prozent 2013 auf 64 Prozent 2016). Robert Rümmler erläutert:
«Vermögensverwalter, welche die Markttrends bei Vergütungs- und Anreizfragen ignorieren, werden Probleme bekommen, den Rückstand bei den Technologietalenten aufzuholen. Der scharfe Konkurrenzkampf mit anderen Branchen um diese gefragten Spezialisten ist bereits im Gang.»
Um die fehlenden internen Kompetenzen auszugleichen, wenden sich die Unternehmen zunehmend an externe IT-Anbieter. Nur wenigen Unternehmen gelingt es jedoch, ein optimales Gleichgewicht zwischen internen IT-Ressourcen und Auslagerung zu finden. Dies belegt auch die enorme Kluft zwischen Unternehmen, die bezüglich Outsourcing führend sind, und dem Grossteil der Vermögensverwalter.
Erneuerung der IT-Infrastruktur dringend nötig
Die meisten Vermögensverwalter haben die längst fällige Modernisierung ihrer IT-Kernsysteme aufgeschoben. Dazu gehören nicht nur die Infrastruktur, sondern auch andere kritische Bereiche der IT – zum Beispiel die Cybersicherheit: Der Angriff mit der WannaCry-Ransomware belegt, wie wichtig das Einrichten von Schutzvorkehrungen gegen Cyberangriffe ist.
Obwohl die Unternehmen immer häufigeren und schwerwiegenderen Cyberangriffen ausgesetzt sind, steht die Risikobegrenzung (einschliesslich Cybersicherheit) weit unten auf der Liste der Unternehmensprioritäten. Der Grossteil der Schweizer Vermögensverwalter legt den Fokus der IT-Strategie nach wie vor auf die Einhaltung der Regulierungsvorschriften (80 Prozent), während sich nur rund die Hälfte (53 Prozent) auch auf die Risikobegrenzung, einschliesslich Cybersicherheit, konzentriert. Tom Schmidt, Cybersecurity Leader bei EY in der Schweiz, sagt:
«Schweizer Vermögensverwalter unterschätzen den Bedarf an effektivem Schutz vor Cyberbedrohungen in ihrem Geschäftsfeld. Infolge der Digitalisierung und Hyper-Connectivity wird diese Gefahrenquelle jedoch auch in Zukunft immer wichtiger werden.»
Um keine Marktanteile zu verlieren, sind Sofortmassnahmen erforderlich
Schweizer Vermögensverwalter sollten die folgenden entscheidenden Schritte in Betracht ziehen, um zu vermeiden, dass weitere Marktanteile verloren gehen, und um eine erfolgreiche digitale Strategie umzusetzen:
- Digitale Ziele und Erfolgskriterien definieren, wie z.B. eine Erhöhung der Kundenzufriedenheit oder Reduktion der Betriebskosten.
- Die weiteren Auswirkungen der digitalen Strategie auf das gesamte Unternehmen und das Betriebsmodell festlegen.
- Die erforderlichen digitalen Fähigkeiten beurteilen und deren Implementierung auf kurz-, mittel- und langfristige Sicht priorisieren.
- Eine allgemeine Roadmap für die Digitalisierung ausarbeiten.