Fintech Influencer Switzerland Interview Series: 7 Fragen an Daniel Diemers

Fintech Influencer Switzerland Interview Series: 7 Fragen an Daniel Diemers

by June 12, 2020

Fintechnews.ch interviewt in einer Serie von Kurz-Interviews bekannte Schweizer Fintech Influenzer. Heute sprechen wir mit Daniel Diemers* über Fintech und Passporting im Nahen Osten und über Wealthtech.

 

Hallo Dani, was hat sich während der Pandemie für Dich persönlich verändert?

Nun, mein Ziel war, in diesem Jahr mehr Zeit mit der Familie zu verbringen, und dank Home Office Total ist dieses Ziel ja bereits nach kurzer Zeit erreicht.

Sehr spannend finde ich auch, wie ältere Konzepte aus den 90’er „Teleworking“, „Knowledgeworker“, „Telepresence“, etc. und neuere Ansätze wie dezentrale Organisationen oder ExO-Organisationen plötzlich live gehen und den Proof-of-Concept nun wirklich geschafft haben.

Ich habe im März z.B. an einem ExO-Hackathon – ExO steht für exponentielle Organisation, ein Ansatz von der Singularity University und gut erklärt von Salim Ismail – teilgenommen. Wir waren 400 Leute aus der ganzen Welt mit wirklich unterschiedlichen Fähigkeiten und Arbeitsfeldern. Was da in nur wenigen Tagen an Lösungen zusammengekommen war, hat mich persönlich beeindruckt.

Denkst Du Covid19 ist der Digital Beschleuniger welcher der Branche bisher fehlte?

Naja, „fehlte“ ist das falsche Wort aus meiner Sicht, ich glaube niemand sollte froh sein, dass wir diese Corona-Zeit erleben, aber wir alle merken ja, dass Home Office, Virtual Teams und dezentrale Arbeitsmethodik plötzlich wirklich funktioniert und zwar produktiv und effizient.

Für mich ist der Corona-Vektor eher einer Richtung Nachhaltigkeit: Vor Corona ist man ja locker für ein Business Meeting von 1h kurz nach London oder Berlin geflogen, was ja dann meistens einen halben bis ganzen Tag „kostete“, mit viel ineffizienter Zeit z.B. Warten am Flughafen, etc. Aber, viel wichtiger: die Ökobilanz von solchen Kurztrips ist schlecht.

In diesem Sinne sollen wir unsere Art zu arbeiten, aber auch zu Leben doch nochmal stark hinterfragen, bevor wir jetzt einfach wieder in unsere alten Gewohnheiten zurückkehren.

Mit was beschäftigst Du Dich derzeit?

Verschiedensten Dingen. Ich bin eng an Themen wie Wealthtech, Fintech dran, begleite ein paar Startups und mache wie immer einiges im Bereich Blockchain und Crypto.

Zudem übersetze ich mein 2001 erschienenes Buch „Die Virtuelle Triade“ (Paul Haupt Verlag) auf englisch. Ich habe das einigen Freunden schon lange versprochen, und jetzt habe ich gerade wirklich Lust darauf das zu tun. Das Buch handelt von der Transformation der Gesellschaft und der Arbeitswelt durch Digitalisierung, aber auch Cyborg-Technologien und künstlicher Intelligenz, Bionik, etc. – Diese Themen faszinieren mich auch 20 Jahre später noch genau so wie damals!

Du warst ja öfters auch im Nahen Osten und kennst die Fintech Trends dort sehr gut , was verpassen wir hier?

Wer nie im Nahen Osten gelebt und gearbeitet hat, tut sich sicher schwer diese Region zu verstehen. Ich bin dort seit ca. 2006 unterwegs und habe auch einige Jahre in Dubai gelebt und eigentlich fast jedes Land dort intensiv bereist und dort gearbeitet.

Die Region ist sehr Technologie-affin. Die typischen Europäischen Vorbehalte und politischen Diskurse gegenüber „zu viel“ Technik, findet man dort kaum. Zumindest nicht im Business Bereich. Das macht es natürlich einfach für Fintech, Wealthtech, Regtech, etc.

Was es dagegen wiederum schwer macht: die Regulierung. Ich war persönlich an einem Projekt beteiligt, ca. um 2010 herum, die Bankenregulierung über alle Golf-Staaten zu harmonisieren, um – im Zielzustand –ein Passporting zu haben.

Leider wurde das Projekt resp. die Gesetzesvorlagen zwar entscheidungsbereit abgeschlossen aber nie von den Staaten ratifiziert. Somit ist es immer noch sehr schwer als Fintech – egal ob local oder aus Europa – im Nahen Osten über mehrere Märkte zu operieren.

Bitte nenne uns ein Fintech im Nahen Osten was wir unbedingt verfolgen sollen und sag uns warum?

Da fallen mir natürlich einige ein, aber wenn ich nur eines nennen darf dann: RAIN in Bahrain – das ist quasi das „Bitcoin Suisse“ in Middle East, die erste erfolgreiche Crypto Exchange/ Broker dort. Was spannend ist, wie das Team zusammenkam: ein junger Entrepreneur und Bitcoin Maximalist aus Saudi traf auf einen Entrepreneur aus Ägypten. Dann kamen zwei Fintech & Blockchain Experten aus San Francisco dazu, die eigentlich in San Francisco eine Bitcoin Exchange bauen wollten, aber Jesse Powell (der Gründer von Kraken) war halt schon vorher da 😉 jetzt sind alle 4 in Manama, Bahrain und haben bisher mit RAIN viel erreicht.

Was kann die Schweiz von Fintech im Nahen Osten lernen oder ist es umgekehrt?

Bevor man Fintech Schweiz mit Fintech Middle East vergleicht, muss man natürlich feststellen, dass die Art und Weise wie Banking, Zahlungsverkehr, Versicherungen, etc. gemacht wird, doch sehr anders ist. Dazu kommen natürlich auch sehr spezifische „Centers of Excellence“, z.B. in Israel alle Themen rund um Cybersecurity, während sich Dubai sehr intensiv mit Blockchain beschäftigt und die Tokenisierung von Real Estate ein starker Fokus ist, in einer Stadt wo permanent neue Wolkenkratzer gebaut werden.

Zwei Dinge sind mir in Middle East aufgefallen, die ich wichtig finde, wenn man Fintech Entrepreneur ist:

Die Fintech Kollegen dort haben immer eine sehr positive Einstellung. Zu allem. No reason to worry, we’ll succeed with this, yes, god willing, etc. – Wenn Leute über ein anderes Startup sprechen, dann meistens positiv. In der Schweiz ist halt unsere kritische Haltung schon immer unterschwellig spürbar: das ist nicht gut, dort müsste man mehr funding haben, diese startup ist kurz davor zu scheitern, etc. – Jede/r der schon mal in der Schweiz ein Startup gegründet hat und gescheitert ist, weiss was ich meine.

Zweitens, persönlichen Beziehungen wird viel Zeit und Raum gegeben, gerade im geschäftlichen Bereich. Mache ich ein 1-Stunden Meeting in der Schweiz (was einige im Vorfeld vielleicht schon kritisieren: brauchen wir wirklich 1 Stunde? Gehen auch 30 Min?), rutschten wir nach 50 Minuten nervös auf dem Stuhl, die Zeit ist bald um, das nächste Meeting oder Call geht los. In Middle East nimmt man sich mehr Zeit, ein 1-h Meeting kann auch schnell mal 2-h gehen, der Geschäftspartner erkundigt sich dann aber auch noch über wie es der Familie geht oder man diskutiert offen über politische oder gesellschaftliche Themen. Und am Ende wird man noch zum Tee oder Abendessen eingeladen.

Welches Schweizer Fintech Startup sollten wir unbebdingt auf dem Radar haben?

Da würden mir viele einfallen, ich verfolge im Moment Yapeal sehr nahe, eine der neuesten Neobanken in der Schweiz mit einem tollen, frischen Auftritt. Sowie natürlich NEON, die ja praktisch der „Platzhirsch“ unter den Schweizer Neobanken sind. Naja, und dann sind ja noch 3-4 weitere neue Banken am Start, zusätzlich zu Revolut und N26, also es bleibt spannend.

Bitte nominiere einen anderen Schweizer Fintech Influenzer für das Interview

Da empfehle ich natürlich die Fintechrockers – wo jede und jeder eine gute, pointierte Meinung zum Fintech Ecosystem hat. Und dann gebe ich meine Stimme an Eelco Fiole. Vielen Dank!

 

Swiss Fintech Influencer Daniel Diemers
Daniel Diemers

Daniel Diemers

Dr. Daniel Diemers is a growth & innovation strategist, investor and startup coach, focusing on fintech, blockchain, AI & exponential technologies. He is a former strategy partner with Booz Allen/ PwC Strategy& in Europe & Middle East and has worked with leading institutions, challengers and regulators on digital financial services.

He has been nominated top 100 Digital Shaper in Switzerland, won the Honeywell futurist award Europe and is a co-founder of several innovation-focused associations, e.g., Swiss Fintech Association, Crypto Valley Association and Swiss Blockchain Federation. He is also a member of fintechrockers.com.

Academically, he has an economics degree & Ph.D. from the University of St. Gallen HSG, CEMS Master in international Management and attended the Singularity University EP in 2017. He is a lecturer at several academic institutions, author of books & articles, and frequent speaker and commentator of technological trends.